Ösophagusatresie
Synonyme: Angeborene Unterbrechung der Speiseröhre, Speiseröhrenverschluss
Die Ösophagusatresie ist eine angeborene Fehlbildung, die mit ca. 1 : 2500 - 4000 relativ häufig vorkommt. Jungen sind etwas öfter betroffen als Mädchen (ca. 60 zu 40%).
Die genaue Ursache der Ösophagusatresie ist bis heute unbekannt. Die Fehlbildung scheint sich bereits sehr frühzeitig (3. - 4. SSW) durch eine Entwicklungsstörung bei der Trennung von Speise- und Luftröhre zu entwickeln. Daraus ergibt sich auch die Tatsache, dass neben dem Speiseröhrenverschluss häufig auch eine Verbindung zur Luftröhre besteht, wonach sich auch die noch heute gebräuchliche Einteilung der Ösophagusatresien nach dem Anatom Vogt von 1929 ergibt.
Obwohl es eine diskrete familiäre Häufung gibt (Erkrankungswahrscheinlichkeit für Geschwisterkinder ca. 1 %, bei Zwillingen 9 %), tritt die Fehlbildung überwiegend sporadisch auf, d. h. sie ist nicht einem bestimmten Gen zuzuordnen.
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Einteilung nach Vogt
Typ Vogt I - Komplettes Fehlen (Aplasie) der Speiseröhre (des Ösophagus)
Typ Vogt II - Ösophagusatresie ohne Fistel: Unterbrechung der Speiseröhre ohne Verbindung zur Luftröhre (Trachea)
Typ Vogt IIIa - Ösophagusatresie mit oberer tracheo-ösophagealer Fistel: Die Speiseröhre ist unterbrochen und der obere Blindsack ist mit der Luftröhre verbunden während der untere Teil blind endet
Typ Vogt IIIb - Ösophagusatresie mit unterer tracheo-ösophagealer Fistel: Der obere Teil der Speiseröhre endet blind während der untere Teil und somit auch der Magen mit der Luftröhre verbunden ist. Dieser Typ ist mit ca. 85 % die häufigste Form
Typ Vogt IIIc - Ösophagusatresie mit Doppelfistel: Die Speiseröhre ist unterbrochen, aber sowohl der obere Teil, als auch der untere Teil sind mit der Luftröhre verbunden.
Typ Vogt IV- sog. H-Fistel: Die Speiseröhre ist durchgängig, es besteht aber eine Verbundung zur Luftröhre
VACTERL-Assoziation
Bei 50 % der Betroffenen treten jedoch noch weitere Fehlbildungen anderer Organe auf wie z. B. des Herzens, des übrigen Magen-Darm-Traktes, der Nieren, aber auch des Bewegungsapparates oder der Rippen. Die häufigsten begleitenden Fehlbildungen werden als sogenannte VACTERL-Assoziation zusammengefasst (V = vertebral, a = anorectal, c = cardiac, t und e = tracheo-esophageal, r = renal und l = limb).
Symptome
Heutzutage kann der Verdacht auf das Vorliegen einer Ösophagusatresie häufig bereits pränatal im Ultraschall gestellt werden, zum Einen anhand des Vorliegens eines Polyhydramnions (viel Fruchtwasser), wobei das ein eher unspezifisches Zeichen ist, aber in Kombination mit einer fehlenden Magenblase und einem für die SSW eher kleinem Kind schon verdächtig auf das Vorliegen einer Ösophagusatresie ist. Die exakte Darstellung der unterbrochenen Speiseröhre im pränatalen Ultraschall bleibt jedoch äußerst schwierig. Bei Verdacht auf diese Erkrankung sollte die Entbindung am besten in einer Klinik erfolgen, in der eine Kinderchirurgie angeschlossen ist. Es besteht jedoch keine Indikation für eine Kaiserschnittentbindung.
Besteht der Verdacht pränatal nicht - was auch heute noch nicht allzu selten vorkommt - fällt das Neugeborene häufig durch vermehrten schaumigen Speichel, Husten, insbesondere beim ersten Fütterungsversuch, auf. Dann sollte die Hebamme oder der Geburtshelfer den Versuch eine Magensonde zu legen unternehmen, und wenn sich diese nicht vorschieben lässt, sollte ein Röntgenbild bei liegender Sonde gemacht werden.
Vorgehen unmittelbar nach der Geburt
Das Kind muss dann auf eine Kinderstation aufgenommen werden, erhält zur Ernährung einen Tropf, eine sogenannte "Schlürfsonde" wird in den Mund gelegt, über die kontinuierlich mit niedrigem Sog der Speichel, den der Säugling nicht schlucken kann, abgesaugt wird, auch damit er ihn nicht versehentlich in die Luftröhre und Lunge (Aspiration mit nachfolgender Pneumonie) bekommt.
Nur wenn das Neugeborene deutlich zu früh geboren und sehr untergewichtig ist sowie Schwierigkeiten bei der selbständigen Atmung hat, sollte es intubiert und künstlich beatmet werden.
Ansonsten können jetzt zunächst in aller Ruhe andere Untersuchungen zum Ausschluss weiterer Fehlbildungen erfolgen, wie z. B. ein Herzultraschall (Echokardiografie) um Ausschluss eines Herzfehlers, ein Kopf- und Bauchultraschall (Schädel- und Abdomensonografie) zum Ausschluss weiterer Hirn-, Darm- oder Nierenfehlbildungen, ggf. eine Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel (MCU) oder ein MRT des Beckens/ der Wirbelsäule bei Vorliegen weiterer Fehlbildungen.
Nun wird zeitnah (in der Regel innerhalb der ersten beiden Lebenstage) die Operation unter erfahrener kinderanästhesiologischer Unterstützung durchgeführt.
Operative Korrektur
Bei der Operation erfolgt der Zugang in der Regel über einen vertikalen Hautschnitt rechts unterhalb der Axelhöhle. Die unphysiologische Verbindung zur Luftröhre wird durchtrennt, der obere blindverschlossene Anteil der Speiseröhre eröffnet und stets versucht, die beiden Enden bereits in dieser Operation miteinander zu verbinden.
Wenn die beiden Speiseröhrenanteile zu kurz sind und sich eine Verbindung nicht einigermaßen spannungsfrei erreichen lässt, wird dem Kind ggf. zunächst ein künstliche Magenausgang zur Ernährung (sogenannte Speichelfistel/ collare Ausleitung am Hals) angelegt und es werden weitere Operationen bis zur vollständigen Versorgung der Fehlbildung erforderlich sein. Im Einzelfall wird eine sogenannte Speichelfistel auch angelegt, um Zeit zu gewinnen. Für das Überbrücken der Distanz sind Dehnungsmethoden, das Ausnutzen von Wachstum und Entwicklung, aber auch operative Ösophagus-ersatzverfahren mit Verlagerung des Magens etabliert.
Nach der Operation
Kinder mit operierter Ösophagusatresie bleiben in der Regel noch für ein paar Tage beatmet und werden dann nach 2 - 3 Tagen über die liegende Magensonde je nach Verlauf langsam ernährt.
Nach ca. 10 - 12 Tagen erfolgt üblicherweise eine Röntgen-Kontrastdarstellung (obere MDP) bei noch liegender Magensonde. Zeigt diese keine Auffälligkeiten (Kontrastmittelaustritt im Bereich der Anastomose, extreme Enge) kann die Sonde anschließend entfernt und mit der oralen Ernährung begonnen werden.
Kinder mit Ösophagusatresie haben in den ersten Lebensjahren häufig verschiedene Probleme. Sie bedürfen einer professionellen Nachsorge, die oft bis ins Erwachsenenalter und darüber hinaus erfolgen muss.
Probleme bei der Nahrungsaufnahme
Oft kommt es dazu, insbesondere bei Nahrungsumstellung oder Zufüttern zunehmend festerer Substanzen, dass das Kind spuckt oder erbricht und die Nahrung oder sogar das Trinken nicht herunter bekommt ("steckenbleiben). Bei diesen Symptomen besteht der Verdacht auf eine Anastomosenenge (der Vereinigung beider Ösophagusenden), die aufgrund ihrer narbigen Struktur die Tendenz hat, sich zusammenzuziehen und im Laufe des Körperwachstums auch nicht ausreichend mitwächst. Die Enge muss dann aufgeweitet werden. Dies geschieht in Allgemeinnarkose und bedarf in der Regel eines kurzen stationären Aufenthaltes (1 - 2 Nächte).
Demzufolge gedeihen die Kinder häufig nicht so gut. Gewichts- und Wachstumskontrollen sollten regelmäßig beim Kinderarzt und in den vorgesehenen Nachsorgesprechstunden erfolgen.
Rezidivierende bronchopulmonale Infekte
Kinder mit einer operierten Ösophagusatresie erleiden, insbesondere im Kleinkindalter häufig, teils schwere bronchiale Infekte und haben einen sehr charakteristischen bellenden Husten. Dies liegt an der mit der Fehlbildung vergesellschafteten, mehr oder weniger ausgeprägten, Weichheit des Luftröhrenknorpels (Tracheomalazie), die sich jedoch meistens mit zunehmendem Alter von selber auswächst und nur in seltenen, schweren Fällen einer operativen Behandlung (Aortopexie) bedarf.
Ein weiterer Grund für bronchopulmonale Infekte können wiederholte kleine Aspirationsereignisse (Flüssigkeit und Speisereste gelangen in die Luftröhre), bedingt durch einen Magensäurerückfluss, (gastroösophagealer Reflux) sein.
Der gastroösophageale Reflux entsteht durch einen nicht ganz vollständigen Verschluss-mechanismus am Übergang der Speiseröhre in den Magen, der vermutlich durch die relativ verkürzte Speiseröhre und eine begleitende Motilitätsstörung zustande kommt. In einzelnen Fällen müssen diese Kinder im Verlauf am Mageneingang operiert werden (eine sogenannte Fundoplikatio-Operation).
Insgesamt ist jedoch die Lebensqualität von Kindern mit operierter Ösophagusatresie als sehr gut einzuschätzen und sie können ein ganz normales Leben führen.
Selbsthilfegruppe
Detaillierte Informationen rund um das Krankheitsbild erhalten Sie von der Patienten- und Selbsthilfeorganisation für Kinder und Erwachsene mit kranker Speiseröhre - KEKS e. V.